Wieso sich Coaching und Führung nicht ausschliessen und wieso Coaching in Unternehmen immer wichtiger wird: Interview mit Andrea Waeckerlin.
Von IBAW | 19.06.2024
Das IBAW bietet neu den Lehrgang Führungs-Coach mit Zertifikat und Diplomabschluss an. Was ist der Inhalt des Lehrgangs?
Ich war auf der Suche nach einer Führungsweiterbildung, die einen engen Bezug zur Praxis hat. Ich wollte nicht nur Theorie lernen, sondern auch praktische Fälle aus dem Führungsalltag mit Gleichgesinnten teilen und besprechen.
Für welche Personen eignet sich der Lehrgang? Kann ich ihn auch besuchen, wenn ich noch keine Führungsperson bin?
Der Lehrgang richtet sich ausschliesslich an Personen, die bereits eine Führungsposition einnehmen. Denn er ist gezielt auf Führungspersonen ausgerichtet, die ihre Kompetenzen durch die Methoden des Coachings erweitern möchten.
Coaching ist vor allem auch für Führungspersonen eine wichtige Kompetenz. Wie meistere ich als Führungsperson schwierige Situationen im Team?
Ein Coaching in Bezug auf Konfliktsituationen folgt einem systemischen Prozess.
Im Lehrgang wird auch Kommunikationspsychologie unterrichtet. Wie wichtig ist der psychologische Aspekt in einer erfolgreichen Teamführung?
Wie bereits gesagt, steht beim Coaching in Führungspositionen der Mensch, seine Ressourcen, seine Leistungsfähigkeit, Potenziale und Zufriedenheit im Zentrum: Es geht um den Menschen im beruflichen Alltag und um das Ziel, seine beste Leistung mit hoher Zufriedenheit zeigen zu können. Als Führungs-Coach bin ich daran interessiert, den Menschen, sein Denken und sein Handeln zu verstehen – denn wenn ich ihn nicht verstehe, kann ich ihn nicht coachen. Das ist nichts anderes als Psychologie.
Du bist seit 14 Jahren im Coaching tätig – was war dein prägendstes Ereignis in dieser Zeit?
Darüber könnte ich wohl ein dickes Buch schreiben! Prägend sind für mich die Eckpunkte in den Prozessen: herausfinden, was alles in einem Menschen steckt, erkennen, welche Potenziale brachliegen, ergründen, was verdeckt ist. Oft weiss das die Person, die mir gegenübersitzt, auch selbst nicht. Der Moment, in dem sie das alles realisiert, ist oft emotional, und beeindruckend. Prägend ist auch immer wieder die Tatsache, dass Menschen ihre schwierige Situation zwar erkennen, aber den Grund dafür nicht finden. Der Sprung von der Wahrnehmung der Symptome zur Bewusstwerdung der Ursache schaffen, ist das entscheidende Aha-Erlebnis, das es braucht, um Knoten und Blockaden zu lösen. Um ein Problem aus der Welt zu schaffen, braucht es oft viel weniger als man denkt.
Nun zur Entstehung des Lehrgangs: Wie kam es zur Entscheidung des IBAW, dieses Angebot zu erarbeiten?
Das IBAW hat zwar Führungsangebote, aber noch nicht in diesem Bereich. Doch in Zukunft wird Coaching immer wichtiger, und im Rahmen einer modernen Führung ist es eine Notwendigkeit. Dazu kommt: Die Arbeitswelt wird immer schneller und komplexer. Die Anforderungen steigen. Nicht nur an die zu erbringende, fachliche Leistung, sondern an die eigene Persönlichkeit und den Umgang mit Situationen und Personen. Gerade jetzt ist ein entscheidender Generationswechsel im Gang. Erfahrene Berufsleute mit grossem Wissen werden abgelöst durch die Generation Z, welche eine andere Form und Methodik an Grundschulung erfahren hat und andere Lebensmodelle und Arbeitsbedingungen vertritt. Sie lassen sich nicht mehr gleich führen wie 40- bis 60-Jährige. Eine nicht zeitgemässe Struktur der Führung führt dazu, dass sich die Potenziale der neuen Generation und aller Involvierten nicht entfalten können, dass Fluktuation noch mehr zunimmt und gerade in der Zeit von Fachkräftemangel es schwer sein wird, die gewünschten Kompetenzen und Leistungen zu erhalten. Die Führung ist gefordert sich diesen Gegebenheiten anzupassen und nicht umgekehrt.
Coaching ist dafür nicht die alleinige Patentlösung. Aber es ist wichtig als Führungsperson differenziert mit den Mitarbeitenden umzugehen, damit sie ihre Leistung erbringen können.
Doch nicht nur die Leistung der Mitarbeitenden zählt, sondern auch ihre Zufriedenheit. Diese beiden Aspekte sind gleich wichtig und sollten gleichwertig gesehen werden. Eine zufriedene Person, ist leistungsbereiter, setzt sich stärker ein, entwickelt sich schneller und bleibt dem Unternehmen länger erhalten. Ein Gewinn für Unternehmen, die Berufsleute selbst und die Wirtschaft.
Wo startet man bei der Erarbeitung eines Lehrgangs?
Am Anfang stand ein erster Austausch mit der Frage, ob das Angebot des Führungscoachings ins Portfolio aufgenommen werden solle, da die Inhalte aktuell sind. Dann folgte der weitere Schritt: Welche Schwierigkeiten sind seit längerem und aktuell in den Führungsstrukturen und bei Führungspersonen beobachtbar und wie sollte es idealerweise sein? Was fehlt, damit man dort hinkommt? Danach erstellte ich das Konzept: Wo positionieren wir den Lehrgang, wen möchten wir ansprechen? Wir stellten uns von Anfang an einen branchenübergreifenden Lehrgang vor, der nicht nur auf Personalverantwortliche oder Projektleitende ausgerichtet ist. Es können z. B. auch Leitende einer Volksschule oder Sozialarbeitende teilnehmen. Dieses Prinzip eröffnet allen Studierenden neue Perspektiven.
Danach definierte ich Inhalte und Schwerpunkte innerhalb der komplexen und umfangreichen Thematik. Der erwachsenbildnerische Lehrplan ist vorhanden, nun musste der Lehrgang im Detail erarbeitet werden: Lernziele, Methodik, Dauer wurden definiert, Präsentationen vorbereitet und das eigens für den Lehrgang konzipierte Lehrmittel erstellt. Schliesslich wurden die Sequenzen und Inhalte auf die einzelnen Schulungstage heruntergebrochen und ein Stundenplan erstellt.
Die Qualitätssicherungsvorgaben für die Dozierenden waren schon vorhanden. Wenn man diesem Plan folgt, hat man einen roten Faden und vergisst nichts. Da es zu diesem Thema nur wenige Unterlagen und Unterrichtsmittel gibt, habe ich speziell für diesen Lehrgang ein eigenes Lehrmittel geschrieben. Nun sind die Schulungsunterlagen bereit, und andere Dozierende, welche übrigens alle erfahrene Coaches und Führungspersonen sind, werden umfassend in den neuen Lehrgang eingeführt.
Wie lange dauert es, so einen komplexen Lehrgang zu erarbeiten?
Mindestens ein halbes Jahr. Der inoffizielle Start war schon Jahre vorher – mit meiner praktischen Arbeit, meinem Wissen und meinen Erfahrungen im Coaching und mit vorhandenen Unterlagen aus anderen Seminaren, Workshops und Lehrgängen.
Wie gross werden die Klassen maximal sein?
Allerhöchstens 12 Personen. Denn im Fokus steht das individuelle Vorgehen mit den einzelnen Teilnehmenden. Alle sollen gleichermassen gefordert und gefördert werden; das wäre bei grösseren Klassen nicht mehr gewährleistet. Es gibt auch eine minimale Klassengrösse: Mindestens fünf Studierende müssten es sein, damit die notwendige und sinnvolle Gruppendynamik entsteht, welche den Lehrgang bereichert.
Gibt es ein Anschluss-/Fortsetzungsangebot, um im Bereich Coaching noch weiterzukommen?
Auch bei uns gilt: kein Abschluss ohne Anschluss. Deshalb wird es nach Ende des Zertifikat-Lehrgangs ein Diplom-Modul geben, welches 30 Lektionen und ein vertieftes Training umfasst. Wer das IBAW-Diplom-Modul erfolgreich absolviert hat, schliesst es mit dem Titel «Dipl. Führungs-Coach IBAW» ab und hat dann die notwendigen Instrumente, Coaching-Tools und das Wissen, um zukünftig als Führungs-Coach in Unternehmen, Teams und mit einzelnen Personen im beruflichen Umfeld, Coaching erfolgreich einzusetzen. Ich freue mich sehr auf diesen Lehrgang und die kommenden, zukünftigen Führungs-Coaches.
Neugierig?Führungs-Coach*in mit Zertifikat IBAW Diplom-Modul Führungs-Coach*in
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Über die ExpertinAndrea Waeckerlin ist seit 14 Jahren Geschäftsleiterin der Firma CrossCheck Coaching und selbstständiger Private & Business Coach, spezialisiert auf Firmenberatung mit Fokus auf Führungsgremien und -personen auf allen Stufen. Ursprünglich Lehrperson, hat sie in der Airline-Branche als Erwachsenenbildnerin Führungs-Seminare für angehende Flight Attendants in Führungsfunktionen entwickelt und geleitet. Ausserdem war sie im fliegerischen Bereich für die Ausbildung und das Training zuständig. Sie spezialisierte sich auf Kommunikationspsychologie und Konfliktmanagement, absolvierte ein dreijährige Coachingausbildung mit Diplomabschluss auf Master Stufe und war einige Jahre in der strategischen Unternehmensleitung eines KMU-Betriebes tätig. Nebst der Leidenschaft als Coach tätig zu sei, arbeitet sie mit jungen Führungskräften, unterstützt sie in ihrer Entwicklung und gibt ihnen ihre Erfahrung weiter. Am IBAW unterrichtet sie in den Lehrgängen Teamleiter*in, Leadership und nun auch im neuen Lehrgang «Coaching in der modernen Führung» für angehende Führungs-Coachs. |
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